Fast Fashion - Billigkleidung aus Europa, China und den USA kommt täglich tonnenweise in Ghana an. In Paketen. Sauber verpackt. Kindersachen. Herrenhosen. Kleider. Hemden. Sortiert. Ein teures Paket kostet 8.500 Cedi, rund 570 Euro, erzählt Augustina. Kleidung, die wir im Container „entsorgen“. Viele Firmen, die unsere Container leeren, verkaufen die Kleidung weiter. Machen damit Geschäfte. Die Kleidung wird nicht für wohltätige Zwecke verwendet. Sie landet in armen Ländern wie z. B. hier, am Kantamanto Market, dem größten Kleidermarkt in Ghana.
Augustina ist gerade beim Sortieren. Heute ist es eine gute Lieferung. Normalerweise kann sie 2/3 verwenden, der Rest ist unbrauchbar. Nicht tragbar. Müll. Kleidung, die weggeworfen und verbrannt wird. Kleidung, die wir am Strand wiederfinden. Nicht einzeln, der ganze Strand ist bedeckt damit. Das bedeutet, dass wir in Deutschland nur gut erhaltene Sachen in die Container werfen dürfen. Keine abgetragenen Klamotten. Keine kaputten. Keine dreckigen. Jeder sollte diese Sachen selbst im Restmüll entsorgen. Da gehören sie hin. Niemand möchte abgetragene, kaputte Kleidung tragen. Nicht die Flüchtlinge. Nicht die Menschen in Afrika. Niemand. Kleidermüll gehört in den Restmüll. Das hat mir das Beispiel von Augustina noch einmal ganz deutlich gezeigt. Moree. Biriwa. Anomabo. Egya. In den letzten Tagen haben wir einige Fischerdörfer besucht. Ich habe mich dort mit vielen Frauen unterhalten. Sie faszinieren mich. Sie sind fleißig. Stark. Unabhängig. Sie kämpfen für ein besseres Leben. Arbeiten hart. Sie verkaufen Obst und Gemüse am Straßenrand. Schlachten Hühner. Räuchern Fisch. Kochen. Sitzen bei 35 Grad am Markt. Verarbeiten Yuka und Zuckerrohr. Machen den Haushalt, pflegen die Alten und betreuen die Kinder.
In vielen Dörfern sind die Frauen alleinerziehend. Die Männer sind weggegangen. Nach Accra. In andere Großstädte. Am Land gibt es keine Arbeit. Nichts zu tun. Viele Frauen wissen nicht, ob ihr Mann zurückkommt. Sie schlucken, wenn sie es mir erzählen. Um dann gleich wieder zu lächeln. Sie sind echte Kämpferinnen. Heldinnen. Stolz. Schön. Und tapfer. Agbogbloshie. Ein Stadtteil in Accra. Eine Elektro-Müllkippe. Ein Holzmarkt. Ein Markt. Und ein Wohnbereich mitten im Slum. Einer der verseuchtesten Orte der Welt. Und der Arbeitsplatz von Yusuf. Yusuf kommt aus dem Niger. Viele seiner Kollegen sind aus dem armen Norden von Ghana, von der Elfenbeinküste oder aus Togo. Sie wühlen täglich im Elektroschrott auf der Suche nach Kabel. Dann werfen sie die Plastikverkleidungen ins Feuer, um an das Kupfer zu kommen. Urban Mining wird diese Arbeit auch genannt.
Ein Kollege von Yusuf hat nur noch ein Auge. Das zweite ist ein riesiges Brandmal. In der Luft liegt ein beißender Geruch. Toxische Dämpfe. Eine dicke, schwarze Rauchwolke steht über den Arbeitern. Der Fluss - eine zähe, dunkle Brühe. Gleich dahinter: eine riesige Müllhalde, auf der Kühe nach Futter suchen. Sie sagen selbst: dieser Ort ist die Hölle auf Erden. Statistisch gesehen erreicht keiner der Arbeiter mein Alter. Zu viel Gift haben sie bis dahin eingeatmet. Weil wir kaputte Elektrogeräte nach Ghana verschiffen. Obwohl das seit 2005 verboten ist. Um genau das zu vermeiden. Es kann jeder bei sich selbst anfangen und Elektrogeräte länger nutzen. Die Ressourcen ausschöpfen, die Umwelt schonen. Und wenn ein Gerät kaputt ist, am besten direkt selbst zum Recyclinghof bringen. Der Ort Svinia im Osten der Slowakei besteht aus zwei Teilen. In einem Teil leben die Slowaken. Im anderen die Roma. Sie nennen es die Weißen und die Schwarzen. Die Weißen leben in Häusern. Die Schwarzen in Baracken. Es gibt zwei Schulen. Eine für slowakische Kinder. Eine für Roma-Kinder.
Die Roma-Kinder leben und lernen im Abseits. Nicht einmal in der Schule haben sie die Möglichkeit Freundschaften mit Slowaken zu schließen. Zuhause hat jede Familie nur ein Zimmer. Manchmal teilen sich zwei Familien einen Raum. Kein Bad. Keine Toiletten. Kein fließendes Wasser. Kein Tisch. Kein Stuhl. Eine Glühbirne an der Decke. Große Heiligenbilder. Bei den reicheren Roma ein Fernsehgerät. Ein Lernen, Hausaufgaben machen oder konzentrieren ist in dieser Umgebung nicht möglich. Was machen sie stattdessen? Was alle Kinder machen. Sie streifen mit ihren Freunden durch das Dorf. Rutschen durch den Schlamm. Rodeln mit Tüten den Berg hinunter. Machen Blödsinn. Lachen. Streiten. Spielen. Mit anderen Roma-Kindern. Nicht mit Slowaken. Von Klein an lernen sie das WIR und DIE. DIE sind weiß. WIR sind schwarz. Wir haben keines. DIE leben in Häusern. WIR im Slum. DIE haben ein Handy. WIR haben keines. DIE haben Geld. Sie wissen von Klein an, dass es einen Unterschied zwischen WIR und DIE gibt. Vielleicht denken wir beim nächsten Mal daran, wenn WIR in den Supermarkt gehen und DIE bettelnd davorstehen. Gewalt. Betteln. Prostitution. Drogen. Alkohol. Diebstahl. Alles Alltag im Roma-Slum.
Vier Tage lang haben wir die Roma besucht. In vier Tagen habe ich mehr von diesen Problemen gesehen als sonst in einem ganzen Jahr: Männer, ja sogar kleinen Jungs, die am Straßenrand Kleber schnüffeln. Alle paar Sekunden halten sie das Tütchen mit kleinen Schaumstoff-Fetzen, die in Kleber getränkt sind, an die Nase. Patrick ist einer davon. Der Kleber hat ihm das Gehirn vernebelt. Wenn er keine Tüte in der Hand hat, ritzt er sich den linken Unterarm auf. Vielleicht weil der Klebstoff aus ist. Oder weil das Dopamin, das Glücksgefühl, das der Kleber ihm gibt, nachlässt. Ein Professor hatte uns von der Kinder-Prostitution erzählt. Gesehen habe ich es nicht. Aber kleine Mädchen, die hohen Stiefel tragen. Kleine Mädchen mit Lippenstift. Kleine Mädchen, die anfangen aufreizende Posen zu machen, wenn man sie fotografiert. Kinder, deren Gesichter nicht mehr aussehen wie Kindergesichter. Sondern wie Fratzen. Ich erspare euch diese Bilder. Um die Kinder zu schützen. Um sie nicht vorzuverurteilen, weil, ob es stimmt, das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass in diesem Slum schon die Kinder Probleme haben, die wir uns als Erwachsene nicht vorstellen können. Dass sie mit Themen konfrontiert werden, die mir schon in vier Tagen zu viel sind. Dass sie ein Leben am Rand der Gesellschaft führen. Und dass es nur die wenigsten schaffen diesem Elend zu entfliehen. Vielleicht habe ich das künftig im Hinterkopf, wenn ein "Zigeunerkind" beim Betteln vor einem Supermarkt steht. Im Dezember 2021 habe ich zum ersten Mal das Roma-Slum Svinia im Osten der Slowakei besucht. Die Siedlung besteht aus Bretterverschlägen, Ruinen und jede Menge Müll, Dreck und Matsch. Als wir ankamen, hatte es Plusgrade, der Schnee war geschmolzen und somit waren auch die Gerüche nicht mehr unter der dicken Eis- und Schneedecke versteckt. Es roch nach Rauch und nach Kot. Menschenkot. Manchmal mehr. Manchmal weniger. Manchmal schier unerträglich.
Rund 700 Menschen leben in dieser Siedlung. Mindestens die Hälfte davon ist minderjährig. Sie lachen viel. Obwohl schon die Kleinsten auf sich selbst gestellt sind. Heute hat ein Junge gerade einen Reifen verbrannt. Er hatte keinen Daumen mehr. Ein anderer lief mit einem großen Küchenmesser durch die Straßen. Ein Mädchen zeigte mir ein Brandmal an ihrer Hand. Es sind Extreme. Für uns kaum vorstellbar. Nicht nachvollziehbar. Trotzdem oder gerade deswegen sind die Menschen hier unglaublich liebenswert. Alle kleinen Mädchen wollen meine Hand halten. Alle Jungs wollen mich beschützen und laufen stolz neben mir her. Am Abend weiß ich selbst nicht, was ich denken soll. Vermutlich dauert es eine Weile die Eindrücke zu verarbeiten. Noch viel wahrscheinlicher ist aber, dass ich es nie verstehen werde. Dass ich es nie nachvollziehen werde. Weil wir doch ein "normales" Leben führen und nicht genug darüber nachdenken, dass "normal" eben für jeden etwas anderes bedeutet. Text und Fotos: Manuela Federl Gute Nachrichten! Nach 57 !!! GAMES ist die Familie von Fariba gestern im Asylzentrum in Zagreb angekommen Sie hat mir ein Video geschickt, auf dem sie weint und ihre Kinder und ihr Mann singen. Sie hat mich angerufen und konnte vor Glück kaum sprechen.
In den letzten Tagen hat die kroatische Polizei immer wieder Familien ins Asylzentrum Zagreb gefahren. Fast alle Familien, die wir filmisch und fotografisch begleitet haben, sind jetzt in Kroatien. Ich bin sehr glücklich Alle Menschen auf diesen Bildern haben es geschafft! Es bewegt sich etwas! Endlich! Text: Manuela Federl Fotos: Kristof Huf "It's raining, go inside" - sage ich zu einem jungen Pakistani. "No problem, every day is bad life" - antwortet er mir.
Er lebt mit rund 80 Menschen in dieser Ruine. Große Müllberge liegen in den Räumen. Die Gänge sind gespickt mit gefährlich tiefen Schächten. Kein Licht. Kein Strom. Kein Wasser. Keine Heizung. Keine Toiletten. Ich verstehe: Every day is bad life! Pics by Kristof Huf No toilet, no more tea! Über diesen Satz haben die Jungs in Lipa heute am meisten gelacht. Und ja, wir hatten einen schönen Tag im Camp Lipa. Wir haben gelacht. Witze gemacht. Mit Pakistani Brot gebacken. Tee getrunken. Und Spaß gehabt.
Weil jeder, der an diesem schrecklichen Ort ausharrt, Normalität braucht. Weil es ihnen gut tut, mit jemanden zu reden. Zu lachen. Und die ganze Tragödie, die Erniedrigung und die Aussichtslosigkeit für einen Augenblick zu vergessen. Wir haben solange gelacht bis die Security uns aus dem Lager entfernt hat. Wir haben jetzt Hausverbot. Aber diese schönen Augenblicke kann mir keiner mehr nehmen - und ihnen auch nicht. Pics by Kristof Huf |
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